Sprachdaten Lautschrift Glossar
Die Laute und ihre Verschriftung (Transkription)
Die Verschriftung der dialektalen Laute ist eine Herausforderung an den Autor und den Leser gleichermaßen. Bestehende, standardisierte „Lautschriften“ wie das IPA (Internationales Phonetisches Alphabet), das in vielen Wörterbüchern verwendet wird, oder die in der Dialektologie übliche Lautschrift „Teuthonista“ erlauben zwar eine präzise Lautbeschreibung, haben aber einen großen Nachteil: Sie bleiben für das interessierte fachfremde Lesepublikum weitgehend unverständlich.
Wir haben uns daher für einen Kompromiss aus orthographischen und lautschriftlichen Zeichen entschieden; zur besseren Verständlichkeit werden im folgenden alle Zeichen, bei denen Verständnisprobleme entstehen könnten, genauer erläutert und durch Tonbeispiele demonstriert.
Im Textteil werden Sprachbeispiele grundsätzlich durch Kursivschrift vom übrigen Text abgehoben (z.B.: Das Wort München hat sieben Buchstaben.).
Wird dabei auf die genaue lautliche Ausprägung Bezug genommen, dann erscheint das Beispiel in Lautschrift, für die ein eigener Schrifttyp (Arial Unicode) zur Verfügung steht. Einzelne Lautzeichen (und, wenn es zur Verständnisssicherung dient, auch ganze Wörter) werden zusätzlich in eckige Klammern gestellt (z.B.: [a], [f]); auf Groß- und Kleinschreibung wird in Transkriptionen grundsätzlich verzichtet.
Wird ausdrücklich auf Schriftzeichen bzw. auf die schriftsprachliche Repräsentation einzelner Beispiele verwiesen, so stehen diese zwischen spitzen Klammern (z.B.: Dem Buchstaben <z> entspricht die Lautfolge [ds]).
Bedeutungsangaben werden jeweils durch einfache Anführungszeichen gekennzeichnet (z.B.: [summamialn] bedeutet ‚Sommersprossen’).
In der folgenden Besprechung werden alle im Textteil verwendeten Lautzeichen charakterisiert und durch Tonbeispiele hörbar gemacht. Diese Tonbeispiele können durch Anklicken des Buttons abgerufen werden.
1.Vokale (Selbstlaute)
Vokale werden, im Unterschied zu Konsonanten (Mitlauten), ohne eine „Behinderung“ der ausströmenden Atemluft gebildet. Der Luftstrom versetzt die Stimmbänder des Kehlkopfes in Schwingungen; je nach Höhe und Stellung der Zunge (bzw. Öffnungsgrad des Kieferwinkels) und der Art der Lippenbeteiligung entstehen unterschiedliche Klänge, die wir als unterschiedliche Vokale wahrnehmen.
Das Schema des "Vokalvierecks" bildet die Artikulation der Vokale im Mundraum ab (Hörbeispiele dazu weiter unten):
Zungenposition | vorne | hinten | ||
Lippenstellung | gespreizt | rund | rund | |
Zungenhöhe (Kieferwinkel) |
hoch (geschlossen) | i | ü | u |
mittel | e ε |
ö |
o |
|
tief (offen) | a |
Wir sehen in dieser Zusammenstellung alle jene Faktoren, die die vokalische Klangproduktion und damit unseren Höreindruck steuern: [i - e - ε - a] werden im Mundraum vorne gesprochen, [u - o - - ] werden im hinteren Mundraum gebildet. Bei den hohen Vokalen [i - u] ist der Mund (Kieferwinkel) relativ geschlossen; Zunge und Unterkiefer liegen hoch. Je offener der Mund bei der Vokalproduktion ist, desto tiefer liegen entsprechend auch Zunge und Unterkiefer; die Abfolge [i - e - ε - a] (Vordervokale) bzw. [u - o - - ] (Hintervokale) entspricht einer schrittweisen Öffnung des Kieferwinkels.
Als weiterer Faktor ist die Lippenrundung wichtig: Alle hinteren Vokale werden grundsätzlich mit Lippenrundung gebildet, bei den vorderen Vokalen unterscheiden wir die Vokale ohne Lippenrundung („gespreizte“ Lippen) [i - e - ε - a] und jene mit Lippenrundung [ü - ö - ]. Diese zuletzt genannten gerundeten Vordervokale werden in der Transkription grundsätzlich mit „Umlautpunkten“ wiedergegeben; für die höheren Vokale [ü] und [ö] stehen dafür die eingeführten Schriftzeichen zur Verfügung, für den tieferen Vokal wird das Zeichen für den „tieferen/offeneren“ e-Laut (siehe unten) verwendet. Gerundete Vordervokale sind insoferne ein Sonderfall, als sie weitgehend nur im österreichischen Teil unseres Gebietes auch im Dialekt vorkommen (überwiegend auf Grund von Einflüssen aus dem ostmittelbairischen Raum) – und auch hier jeweils nur in Verbindung mit dem Prozess der Vokalisierung von [l]:
spielen > [schbüün] | |
stellen > [schdöön] | |
Mehl > [m] |
Neben solchen qualitativen Merkmalen, die den Klangeindruck (die „Färbung“) von Vokalen bestimmen, ist auch die Dauer – die Quantität – der Laute wichtig. Wir unterscheiden zwischen kurzen und langen Vokalen; Vokalkürze wird durch die Einfachschreibung des Vokalzeichens gekennzeichnet (z.B. [wissn] ‚wissen’), Vokallänge durch Doppelschreibung ausgedrückt (z.B. [wiisn] ‚Wiese’). Die Regelung des IPA, die Vokallänge durch einen nachgesetzten Doppelpunkt zu kennzeichnen (z.B. [wi:sn] ‚Wiese’), wird nur in Ausnahmsfällen (standardsprachliche Beispiele) verwendet.
1.1. Monophthonge (Einlaute)
Vokal | kurz | lang |
i | fischsch ‚Fische’ |
fiisch ‚Fisch’ |
u | brugg ‚Brücke’ |
dsuug ‚Zug’ |
o | hoff ‚hoffen’ |
oof ‚Ofen’ |
Besonders große Probleme bereitet die Darstellung der tiefen Vokale. Im Mittelbairischen unterscheiden wir zwischen hellem, vorderem [a] (Käse > [kaas]) und verdumpftem, hinterem [] (Hase > [hs]); das hintere [] stellt die reguläre bairische Entsprechung für mhd. <a> (und zumeist auch für standardsprachliches <a>) dar.
Auf bayerischer Seite tritt noch ein weiterer tiefer hinterer Vokal auf – das typisch „freistaat-bayerische“ [], das sich besonders häufig als Kurzvokal wie in [kdds] ‚Katze’ findet.
In Österreich wird in populären Verschriftungsweisen der Unterschied zwischen [a] und [] häufig mit den Zeichen <a> gegen <å> wiedergegeben ([kaas] ‚Käse’ – [håås] ‚Hase’); in Bayern dagegen werden zumeist die Zeichen <á> für das helle [a] und <a> für das „bayerische“ hintere [] verwendet. Um Missverständnisse aus solchen unterschiedlichen Verschriftungsgewohnheiten weitgehend zu vermeiden, haben wir uns dazu entschlossen, die beiden hinteren Entsprechungen für mhd. <a> mit den Symbolen des IPA wiederzugeben:
Vokal | kurz | lang |
a | rach ‚rauchen’ |
schaad ‚Schatten’ |
bcha ‚backen’ schdrss ‚Straße’ |
schd ‚Schatten’ b ‚Bach’ |
|
schdrss ‚Straße’ brt ‚Bart’ |
bdd ‚Bart’ |
Im Bereich der e-Laute unterscheiden wir zwei verschiedene Lautqualitäten: einen mit hoher Zungenlage (bzw. relativ geschlossenem Kieferwinkel) und einen mit tieferer Zungenlage (offenerem Kieferwinkel) produzierten Vokal; diesen Unterschied notieren wir mit [e : ε].
Vokal | kurz | lang |
e | bessa ‚besser’ |
beed ‚Bett’ lees ‚lesen’ |
ε | schdεgga ‚Stecken’ |
klεε ‚Klee’ schbεεkch ‚Speck’ |
1.2. Diphthonge (Zwielaute)
Zu diesen vokalischen „Einlauten“ (Monophthongen) kommen eine Reihe von „Zwielauten“ (Diphthongen). Bei diesen Vokalen unterscheiden wir in der Transkription nicht zwischen langen und kurzen Lauten, da hier die Quantitätsunterschiede im allgemeinen weniger ausgeprägt erscheinen (Diphthonge sind grundsätzlich längere Vokale).
In der nachfolgenden Liste trennen wir zwischen „ursprünglichen“ Diphthongen und solchen, die durch die Vokalisierung von [l] oder [r] entstanden sind:
ursprüngliche Diphthonge
Vokal | |
ai | baiss ‚beißen’ |
au | haus ‚Haus’ |
ia | liab ‚lieb’ |
εa | hεassa ‚heißer’ |
ua | fuas ‚Fuß’ |
a | has ‚heiß’ |
u | rud ‚rot’ |
durch Vokalisierung von [l] entstandene Diphthonge
Vokal | |
ui | fui ‚viel’ |
oi | goid ‚Gold’ |
i | id ‚alt’ |
εi | mεi ‚Mehl’ |
m ‚Mehl’ |
durch Vokalisierung von [r] entstandene Diphthonge
Vokal | |
ua | ua ‚Uhr’ |
ia | schbian ‚sperren’ |
εa | bεag ‚Berg’ |
oa | khoab ‚Korb’ |
a | khab ‚Korb’ |
ui | ui ‚Uhr’ |
1.3. Nasalvokale
Im Wortauslaut verschmilzt häufig die Lautfolge von Vokal und darauffolgendem Nasalkonsonanten [n] zu einem Nasalvokal; Nasalvokale werden mit einer Tilde über dem Vokal transkribiert:
Vokal | |
sch ‚schön’ |
|
sch ‚schön’ |
|
s ‚Sohn’ |
|
õ | schõõ ‚schon’ |
sch ‚schon’ |
|
w ‚Wein’ |
|
‚ein’ |
2. Konsonanten (Mitlaute)
Die Konsonanten können je nach Bildungsweise und entsprechend ihrem Gehalt an Schallfülle in Geräuschlaute (Obstruenten) und Sonorlaute unterteilt werden.
Geräuschlaute werden entweder durch eine Verschlussbildung (Verschlusslaute/Plosive) oder durch eine Engebildung (Reibelaute/Frikative) im Mundraum produziert; Sonorlaute (Nasale und Liquide, s.u.) werden ohne eine solche geräuschbildende Verschluss- bzw. Engstelle gebildet und weisen eine wesentlich intensivere Schallfülle auf, die sie akustisch in die Nähe von Vokalen rückt.
2.1. Geräuschlaute
Anders als in der Standardsprache, in der es einen systematischen Unterschied zwischen stimmlosen und stimmhaften Geräuschlauten gibt (z.B. dir - Tier), sind die dialektalen Geräuschlaute weitgehend stimmlos; hier ist zwischen starken/harten (fortis) und schwachen/weichen (lenis) Lauten zu unterscheiden.
Starke und schwache Geräuschlaute erscheinen durchwegs gekoppelt an die Länge des vorhergehenden Vokals: Auf Langvokale folgen Lenislaute, auf Kurzvokale folgen Fortislaute, vgl. die Wortpaare [weegal - weggal] ‚Wegerl - Weckerl’, [weeg - wegg] ‚(der) Weg - (geh) weg’. Lenis- und Fortislaute unterscheiden sich vor allem auch im Hinblick auf ihre Dauer: Lenislaute sind wesentlich kürzer als Fortislaute. Die angesprochene Koppelung von Vokal und darauffolgendem Konsonanten kann somit auch als charakteristisches Längenverhältnis aufgefasst werden – auf einen Langvokal folgt ein Kurzkonsonant ([weeg]), auf einen Kurzvokal folgt ein Langkonsonant ([wegg]). Wir notieren in unserer Transkription deshalb die unbehauchten Starkkonsonanten generell als doppelte Lenislautung [bb – dd – gg]. Die im IPA und auch sonst häufig verwendete Transkription [p – t – k] bleibt für standardsprachliche Beispiele reserviert (zur Ausnahmesituation der hinteren Verschlusslaute [g – k] siehe unten).
Verschlusslaute (Plosive)
Verschluss- laut |
Lenis | Fortis |
b | liab ‚lieb’ |
|
bb (p) | ribbal ‚Ripperl’ |
|
d | beed ‚Bett’ |
|
dd (t) | bedd ‚Bett’ |
|
g | fleeg ‚Fleck’ |
|
gg (k) | flegg ‚Flecke’ |
Behauchte Fortisverschlusslaute, wie wir sie aus der Standardsprache kennen ([phst, thisch] ‚Post, Tisch’), finden sich im Dialekt üblicherweise nicht. Einen Ausnahmefall stellen die Verschlusslaute im Gaumenbereich dar: Hier gibt es im Mittelbairischen auch behauchte Fortislaute, die im Übergangsgebiet zum Süd(mittel)bairischen sogar auch als Lautfolge von Verschluss- und an gleicher Stelle gebildetem Reibelaut (affrizierte Laute) auftreten können; vgl. die folgenden Lautbeispiele:
Verschlusslaut | Fortis |
gg | schdεgga ‚Stecken’ |
kh | khlεε ‚Klee’ schdεkha ‚Stecken’ |
kch | kchlεε ‚Klee’ schdεkch ‚Stecken’ |
Reibelaute (Frikative)
Reibelaut | Lenis | Fortis |
w | w ‚Wein’ |
|
f | oof ‚Ofen’ |
off ‚offen’ |
s | wiis ‚Wiese’ |
wiss ‚wissen’ |
sch | fiisch ‚Fisch’ |
fischsch ‚Fische’ |
ch | bcha ‚backen’ |
bchcha ‚backen’ fabchchd
‚verpachtet’ aigenddlichch ‚eigentlich’ |
h | hu ‚hoch’ mha ‚machen’ |
2.2. Sonorlaute
Nasallaute (Nasale)
Nasallaute werden an den gleichen Stellen gebildet wie die entsprechenden Verschlusslaute [b/p – d/t – g/k], allerdings entweicht die Luft nicht durch den Mund, sondern durch die Nase. Durch den hohen Grad an Schallfülle können Nasale in Nebensilben auch als Silbengipfel auftreten, sind also silbenwertig: [hoff-m] ‚hoffen’; silbenwertige Nasale (und Liquide, s.u.) werden mit einem kleinen Längsstrich unter dem Lautzeichen transkribiert: hoff.
Nasal | |
m | geem ‚geben’ |
n | reen ‚reden’ |
sεε ‚sehen’ |
|
hoff ‚hoffen’ |
|
hidd ‚Hütte’ |
|
bgg ‚backen’ |
Liquidlaute (Liquide)
Sammelbegriff für die beiden „Fließlaute“ [l] und [r].
Bei [l] handelt es sich in unserem Dialektgebiet um einen i-ähnlichen, sehr schallfüllehaltigen Laut, bei dem die Zungenspitze im Übergangsbereich von den Zähnen zum harten Gaumen angedrückt wird; die Vokalähnlichkeit ist auch ausschlaggebend für die in unserem Gebiet charakteristische Vokalisierung des [l] zu [i] (Gold > [goid]).
Bei den r-Lauten unterscheiden wir hauptsächlich zwei Bildungsweisen: Das im vorderen Gaumenbereich mit der Zungenspitze gebildete „Zungen-r“ und das am hinteren Gaumen gebildete „Zäpfchen-r“. Beide Bildungsweisen kommen im allgemeinen regional unterschiedlich verteilt vor; in unserem Bereich finden wir fast ausschließlich das „Zungen-r“.
Liquide | |
l | lees ‚lesen’ |
r | roode roos ‚rote Rosen ’ (Zungen-r) rodde roos ‚rote Rosen ’ (Zäpfchen-r) |
Ein ganz spezieller, für unsere Dialekte charakteristischer Laut ist schließlich das nur einmal mit der Zungenspitze kurz angeschlagene [d], das durch diese Bildungsweise wie ein besonders flüchtig/kurz artikuliertes [r] erscheint; vgl. das Wort Montag mit dem entsprechend abgeschwächten Verschlusslaut: