Konsonanten

1. l-Vokalisierung
Ein charakteristisches Merkmal des Mittelbairischen ist die Umwandlung des l in einen i -artigen Vokal
(l -Vokalisierung) am Wort- bzw. Silbenende: Schuld schuid, Gold goid, kalt kid.

  • kalt
    mbair. kid (Seekirchen) , Ruhpolding ,
    Grainau , Wald
    , Taxenbach

Innerhalb des Gebietes mit l -Vokalisierung finden sich zahlreiche gebietstypische Unterschiede besonders nach den vorderen Vokalen i, e:

  • spielen, stellen
    ostmbair. schbüün, schdöön (Seekirchen)
    smbair. schbüün, schdöön Vomp , Grainau
    salzburgisch schbiin, schdeen (Elsbethen)
    westmbair. schbein, schdein (Ruhpolding)

Bemerkenswerte Ausnahmen zu dieser räumlichen Verteilung der l -Vokalisierung finden sich im Gebiet um Bayrischzell, das mitten im l -Vokalisierungsgebiet keine Vokalisierung zeigt (kalt klt) – und andererseits im alemannischen Hittisau, das in Wörtern wie kalt eine l -Vokalisierung zeigt – es entsteht ein u -artiger Laut (kalt koud) .

2. r-Vokalisierung
Ähnlich der l -Vokalisierung findet sich im vor allem im Mittelbairischen häufig eine Vokalisierung von r zu einem a -artigen Vokal. Im Südbairischen und im gesamten Alemannischen wird das r nicht vokalisiert.

  • Mutter
    mbair. muadda (Elsbethen , Grainau , Taxenbach )
    schwäb. muotr (Pfronten)
    alem. muatr (Nesslau)

3. Konsonantenschwächung
In vielen deutschen Dialekten stellen wir seit der mhd. Zeit eine „Schwächung“ der Aussprache-Intensität von Verschlusslauten fest. So fallen etwa im Mittel-bairischen die anlautenden Konsonanten von Türe und dir zusammen – dia kann gleichermaßen ‚Türe‘, ‚Tier‘ und ‚dir‘ bedeuten. Im Süden wurde diese Konsonantenschwächung ebenso wie in den alemannischen Dialekten unseres Gebietes nicht durchgeführt.

3.1 Anlautendes kn-
Beispiel Knie

Das Beispielwort Knie zeigt die Abstufung der Schwächung im Anlaut sehr deutlich, obwohl die prototypischen Schwächungsgebiete erst nördlich unseres Kartenausschnittes liegen. Als einzigen Vertreter des eigentlichen mittelbairischen Schwächungsgebietes finden wir die Schwächung zu dnia in Bayrischzell.
Das westliche Südbairische weist noch den alten „affrizierten“ Starklaut kch auf. Auch das Alemannische zeigt keine Konsonantenschwächung – die Anlautform ch im Süd- und Höchstalemannischen ist auf eine Vereinfachung des komplexen Lautes kch zurückzuführen.

  • Knie
    mbair. gnia (Bayrischzell dnia)
    sbair. kchnia (Vomp)
    alem. chnüü (Walenstadt)

3.2 Inlautendes -ck-
Beispiel Stecken

Vergleichbare Schwächungsprozesse treten auch im Wortinneren auf. So etwa zeigt unser Beispielwort Stecken (‚Stab‘) die Schwächung des alten geminierten (Doppel-) Starklautes -kk- zu einem -gg- in einem wesentlich größeren Gebiet, auch ein Teil der alemannischen Dialekte ist davon betroffen:

  • Stecken
    mbair. schdegga (Seekirchen)
    smbair. schdekhn (Taxenbach)
    sbair. schdekche (Zams)

3.3 Inlautendes -b-
Beispiel Nebel

Auch inlautendes -b- wie in Nebel wird in den Schwächungsgebieten weiter reduziert. Es entsteht ein Reibelaut w:

  • Nebel
    mbair. newö (Hopfgarten/Brixental)
    höchstalem. nebl (Vals)

4. Inlautendes/Auslautendes st scht
Beispiel (du) ziehst
Eines der charakteristischsten Merkmale des Südbairischen und Alemannischen ist die Veränderung des Konsonanten s zu sch vor nachfolgendem t auch im Wortinneren (ist ischt). Während dieser Prozess im Wortanlaut generell (auch im Standarddeutschen) durchgeführt wurde (vgl. mhd. stein schdain ‚Stein‘), ist diese Verallgemeinerung ausschließlich für die genannten Dialekte typisch. Vielfach fällt auch – wie in unserem Wortbeispiel (du) ziehst – das auslautende t aus:

  • (du) ziehst
    mbair. ziagsd (Wald/Pinzgau)
    sbair. zeuchsch (Sexten)
    höchstalem. züchscht (Davos)