Satzbau

Die Erforschung des dialektalen Satzbaues (Syntax) ist eine sehr junge Disziplin: In der Dialektologie herrschte das Vorurteil, dass der Satzbau so gut wie keine geographische Streuung zeige bzw. dass die dialektale Syntax einfach von der „Schrift“-Sprache abweichende Strukturen der gesprochenen Sprache aufweise. Dieser Standpunkt gilt mittlerweile als überholt. Richtig ist jedoch, dass die räumliche Differenzierung nicht im gleichen Sinne vielfältig und vielschichtig ist wie etwa im lautlichen Bereich. Besonders schwierig gestaltet sich auch die Gewinnung von Sprachdaten: Während Begriffe/Wörter relativ einfach erfragt werden können, ist dies im Bereich der Syntax meist recht problematisch – zu viele Faktoren beeinflussen die spontane Produktion von „kurzen Texten“.

 

1. Verbstellung
Im Beispiel Ich durfte nicht kommen wird zunächst einerseits deutlich, dass die Zeitstufe dieser Vorgabe in den Dialekten nicht vorkommt: Die Mitvergangenheit wird ausnahmslos durch die im Dialekt allein vorhandene Perfektform (Vergangenheitsform) ersetzt: Er hat nicht kommen dürfen.

In dieser veränderten Form geht es nunmehr um die Abfolge von Modalverb (dürfen) und normalem Verb (kommen). Während im Standarddeutschen die Abfolge kommen dürfen als einzig korrekt gilt, sehen wir in unseren Dialekten drei große Gruppen:

  • Ich durfte nicht kommen
    mbair. kema deafm (Ruhpolding) )
    sbair. gederft kemm (Sexten) )
    sbair. derft kemmen (Schlanders) )
    alem. dörfe choo (Walenstadt , Hittisau )

2. Besitz-Konstruktion
Eine Frage wie Wo sind Mutters Schuhe wird im Standarddeutschen normalerweise so wie im genannten Beispiel konstruiert: Das „Bestimmungs-wort“ von Schuhe – also die Angabe desjenigen, dem die Schuhe gehören – steht vorher, und der verwendete Fall ist der Genitiv („Wes-Fall“). Der Genitiv gilt in der Standardsprache als im Rückzug begriffen und im Dialekt überhaupt als ausgestorben. Deshalb sind standardsprachlich auch häufig „Ersatzkonstruktionen“ zu finden: Wo sind die Schuhe der Mutter oder – etwas umgangssprachlicher – Wo sind die Schuhe von der Mutter. Die Form die Schuhe von der Mutter finden wir über das gesamte Gebiet verstreut auch im Dialekt. Darüber hinaus zeigen sich jedoch bemerkenswerte Eigenheiten: Im Alemannischen und Südbairischen sind zumeist Konstruktionen mit dem vorangestellten Genetiv (!) zu finden, im Mittelbairischen dagegen ist die Konstruktion der Mutter ihre Schuhe geläufig – im nordöstlichen Teil (und im Fersental) allerdings mit einem „männlichen“ Einheits-Pronomen: Es heißt der Mutter seine Schuhe (gleichermaßen auch dem Vater seine Schuhe).

  • (Wo sind) Mutters Schuhe
    mbair. da muadda saine schua (Bayrischzell) )
    mbair. a da muadda saine schua (Ruhpolding) )
    mbair. da muadda iare schua (Hopfgarten) )
    sbair. muiters schuiche (Sexten) )
    sbair. muaters schuach (Schlanders) )
    alem. (s) muatrs schua (Davos , Nesslau )